Universität Hamburg Fachbereich 11 - Mathematik

Schwerpunkt für Geschichte der Naturwissenschaften, Mathematik und Technik

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Kolloquium zur Geschichte der
Naturwissenschaften, Mathematik und Technik

Montags 18.00 - 19.30 Uhr,
Geomatikum (Bundesstr. 55),
Hörsaal 6 (Erdgeschoß)

Gesamt-Programm zum Ausdrucken

Inhaltsangabe der Vorträge

10.10.2005

31.10.2005

7.11.2005

14.11.2005

21.11.2005

28.11.2005

5.12.2005

12.12.2005

19.12.2005


Weihnachtsferien

9.01.2006

16.01.2006

24.01.2006

30.01.2006

6.02.2006

Sommersemester 2005 (oder später)

Karin Reich


Vgl. die Vorträge im Kolloquium über Reine Mathematik (im Mathematischen Seminar)
Vgl. die Vorträge im Mathematischen Kolloquium
Vgl. weitere Vorträge im Fachbereich Mathematik
Vgl. die Vorträge im Astronomischen Kolloquium der Hamburger Sternwarte
Vgl. die Vorträge im Vorträge bei DESY und die Vorträge in der Physik (Jungiusstr.)
Vorträge in der Hamburger Sternwarte (Förderverein)
Vorträge in der Mathematischen Gesellschaft Hamburg
Vgl. die Vorträge im Philosophischen Kolloquium
Vgl. die Vorträge im Zoologischen Kolloquium

Siehe auch die folgenden Veranstaltungshinweise:

Tagungen, Ausstellungen, u.s.w.

Frühere Kolloquiumsvorträge


Inhaltsangabe der Vorträge

Dr. Gisela Boeck (Uni Rostock)
Bücher in der Kinderstube des schulischen Chemieunterrichts

Auch wenn Werner von Siemens (1816-1892) 1886 das 19. Jahrhundert als das der Naturwissenschaften bezeichnete, hat sich an den preußischen Schulen der naturwissenschaftliche und somit auch der Chemieunterricht in nennenswertem Umfang nur an den Realschulen und damit vergleichbaren Einrichtungen durchsetzen können.
Erste Nachweise zum schulischen Chemieunterricht gibt es aus den 1820er Jahren. Zu dieser Zeit wurden für den Unterricht vorwiegend Hochschullehrbücher genutzt. Zwischen 1830 und 1840 können dann erste spezielle Lehrbücher für den schulischen Chemieunterricht nachgewiesen werden, die aber ebenfalls der Stoffsystematik folgten. Erst etwa in der Mitte des Jahrhunderts erschienen für die Schule konzipierte Bücher, die das Bemühen um didaktische Aufbereitung des Lehrstoffes erkennen lassen. Diese waren besonders für den Unterricht an Realschulen ausgerichtet und legten ein Schwergewicht auf die technische Chemie. Neue pädagogische Ansätze führten zu einer neuen methodischen Gestaltung. Viele diese Bücher enthalten auch allgemeine Vorstellungen der Autoren zum praktischen Unterricht, Versuchsvorschriften für Demonstrationsexperimente und gelegentlich auch für Schülerübungen. Ein wesentlicher Hinderungsgrund für experimentelles Arbeiten im Chemieunterricht der Schule stellte die unbefriedigende Situation in der Lehrerausbildung dar. Die Vielfalt der Ende des 19. Jahrhunderts benutzten Schulbuchliteratur spiegeln die Verzeichnisse der an den preußischen Schulen eingeführten Bücher wider.

Prof. Dr. Walther Ludwig (Universität Hamburg)
Die Ursprünge der Bildungsreise im Renaissance-Humanismus

Die moderne Bildungsreise hat, wie dieser Vortrag zeigen wird, ihre Wurzeln im Humanismus der Renaissance. Die umfangreiche und noch nicht ausreichend erforschte lateinische Reiseliteratur des 16. und 17. Jahrhunderts gibt ein anschauliches Bild von der Motivationen für die humanistischen Reisen und von den Formen ihrer Durchführung. Diese Literatur, die weit über die speziellen Reisebeschreibungen hinausreicht und vor, während und nach Bildungsreisen verfasst wurde, soll in dem Vortrag beispielhaft vorgestellt werden. Sie ist nicht nur eine wichtige Quelle für die Bildungs- und Kultur­geschichte, sondern auch ein notwendiger Hintergrund für ein besseres Verstehen und eine angemessenere Beurteilung der späteren und heutigen Bildungsreisen und der in den Nationalsprachen überlieferten Reiseliteratur.

Julia Voss (Berlin)
Darwins Bilder: Ansichten der Evolutionstheorie in Charles Darwins Werk und Bildarchiv

Im Zentrum des Vortrags stehen Charles Darwins Buchillustrationen. Dass Bilder in der Evolutionstheorie eine gewichtige Rolle einnehmen, kann kaum bestritten werden. Darwin versah jedes seiner evolutionstheoretischen Werke mit Abbildungen, wobei er die Zahl Buch für Buch erhöhte: Die Entstehung der Arten von 1859 enthält noch eine einzige Abbildung, in Die Abstammung des Menschen von 1871 steigt die Zahl der Bilder auf 78 an, und im Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren von 1872 finden sich neben 21 Holzschnitten sieben heliografische Tafeln mit jeweils mehreren Fotografien.
Über alle diese Abbildungen wachte Darwin mit strengem Auge. Jede einzelne davon war entweder von ihm selbst entworfen, aus seiner eigenen Sammlung ausgesucht oder nach genauer Anleitung bei einem Grafiker in Auftrag gegeben worden. Mitunter gegen den Willen John Murrays, dem Verleger seiner Werke in London, setzte er den Druck verschiedener Abbildungen durch, obwohl sie die Kosten in die Höhe trieben und die Gewinnmargen verringerten, eine Einbuße, die Darwin im Notfall ausglich, indem er die Anfertigung der Druckstöcke aus eigener Tasche bezahlte. Während die Bilderwelt in seinen Veröffentlichungen immer weiter wuchs, dehnte sich auch das Bildarchiv, in dem Darwin ebenso umfangreiches wie heterogenes Material versammelte, kontinuierlich aus. Bis heute finden sich im Darwin Archiv in Cambridge Mappen mit den von ihm gesammelten Fotografien, Lithografien, Zeichnungen und Kupferstichen. Rechnet man die Skizzen in seinen Notizbüchern dazu, die Zeichnungen seiner Korrespondenten und die ebenfalls bebilderten Bücher und Zeitschriften seiner umfangreichen Bibliothek, ergibt sich ein visueller Kosmos des 19. Jahrhunderts, dessen Bedeutung für Darwins Forschung bisher kaum beachtet worden ist.
Einer gängigen Vorstellung zufolge dienen wissenschaftliche Bilder dazu, wissenschaftliche Theorien zu illustrieren, d.h. eine zuvor in einem Text oder einer Gleichung aufgestellte These nachträglich veranschaulichend vor Augen zu stellen. Der Vortrag verfolgt dagegen den umgekehrten Weg. Anhand eines Fallbeispiels soll gezeigt werden, wie Darwin seine Evolutionstheorie zuerst im Bild erarbeitete - und nachfolgend im Text kommentierte.

Prof. Dr. Jürgen Sarnowsky (Universität Hamburg)
Der Impetusbegriff: Ursprünge, Entwicklung, Folgen

Der Impetusbegriff war eines der erfolgreichsten Konzepte in der arabischen, mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wissenschaft, selbst wenn er vielfältigen Wandlungen unterlag. Die Erklärung der Wurfbewegung durch eine eingeprägte Kraft (vis impressa) findet sich bereits bei Johannes Philoponos im 6. Jahrhundert und in arabischen Quellen und wurde offenbar danach von den scholastischen Philosophen des 14. Jahrhunderts wieder entdeckt. Er fand danach weite Verbreitung, selbst in der technischen Literatur des 17. Jahrhunderts. „Klassische Studien“ dazu liegen vor von: - Anneliese Maier (Zwei Grundprobleme der scholastischen Naturphilosophie. Das Problem der intensiven Größe. Die Impetustheorie, Studien zur Naturphilosophie der Spätscholastik II - Storia e Letteratura 37; 3rd ed., Roma 1968) und - Michael Wolff (Geschichte der Impetustheorie. Untersuchungen zum Ursprung der klassischen Mechanik, Frankfurt a.M. 1978). Der Beitrag wird sich dem Thema der wohl doch nur vorgeblichen Einheitlichkeit der Impetustheorie zuwenden. Im Ergebnis wird darauf hinzuweisen sein, dass es sich dabei gewissermaßen um eine zweite, von Aristoteles abweichende ,,natürliche'' Erklärung der Wurfbewegung handelt.

Hans-Joachim Höppner (Hamburg)
Das Leibnizsche Projekt einer Universalen Enzyklopädie

Im 17. Jahrhundert vollzog sich der Wechsel von der Renaissance zur Aufklärung, der gekennzeichnet ist durch bedeutende wissenschaftlichen Erfindungen und vielfältige philosophische Spekulationen. Es herrschte die Überzeugung vor, man könne durch beliebige Kombination gewisser Grundbegriffe alle möglichen Erkenntnisse gewinnen. In dieser Übergangs­zeit war es Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716), selbst Inbegriff eines Universal gelehrten und nicht zuletzt auch Berufs­bibliothekar, der sich der weit verbreiteten zeitgenössischen Mode nicht entziehen konnte, "Archive des Wissens" zur geistreichen Unterhaltung der Fürsten anzulegen, also Enzyklopädien zu erstellen. Diesem Unternehmen widmete er sich zeit seines Lebens, jedoch mit dem eigentlichen Ziel, mittels einer "Real­enzyklopädie" Wissenschaft auch gesellschaftlich verfügbar zu machen.
Der Vortrag befasst sich mit der dem leibnizschen Enzyklopädieprojekt zu Grunde liegenden Konzeption, entwickelt zwischen 1666 und 1686. Im Zentrum steht dabei das ,,Alphabet des Denkens'' zur Schaffung einer ,,universellen Begriffssprache'' (characteristica universalis) mit ihren formalgrammatischen Regeln. Hierbei geht es um das Problem, mit Hilfe einer endlichen Menge von ,,Elementarbegriffen'' (termini primI) kombinatorisch alle möglichen Erkenntnisse herzustellen. Es zeigt sich, dass Leibniz bei diesem Unternehmen in Probleme gerät, welche sich aus der Durchführung seines rationalistischen Programms einer scientia generalis ergeben. Dabei ist die entscheidende Frage diejenige nach der Isomorphie zwischen monadischem Universum und unserer Wirklichkeit" Wie kann man die Ordnung der Wirklichkeit (die Wahrheit) auf die grammatikalische Ordnung der Symbole einer Sprache abbilden?". Die Auflösung dieser Frage führt in das Dilemma des Verhältnisses zwischen dem Kontinuitäts- und Indiszernibilienprinzip als Folge des Satzes', vom zureichenden Grund, sodass schließlich die leibnizschen Bemühungen auf ein Paradoxon vom Typ der Russell-Fregeschen Antinomie hinauslaufen: Eine Enzyklopädie enthält nur dann alle Erkenntnisse, wenn sie keine Erkenntnisse enthält.
Dennoch (,,praxis adversus theoria!'') entwirft Leibniz von 1702 bis 1704 in der Table de Definitions das vielgestaltige Modell einer praktisch und flexibel zu nutzenden "Quasi-Enzyklopädie", einem antizipierenden Begriffswörterbuch, dessen Strukturbeschreibung den Abschluss des Vortrags bilden soll.

Dr. Hauke Bietz (Wiefelstede)
Veränderte (Ge-)Zeiten: Die Bedeutung der historischen Wattforschung

Das Wattenmeer ist Lebensraum einzigartiger Organismengemeinschaften. Für den Menschen ist das Wattenmeer fischereiwirtschaftlich und seit wenigen Jahren energiewirtschaftlich wichtig. Die Küste wird landwirtschaftlich genutzt, Touristen genießen den Naturraum. Es gilt zu vermitteln zwischen den Nutzungsinteressen einerseits und dem Schutz einzigartiger ökologischer Prozesse andererseits. In der aktuellen Diskussion darüber, ob dem Wattenmeer der Status eines Weltnaturerbes zugewiesen werden soll, stehen sich beide Seiten gegenüber.
Das Wattenmeer ist im Wandel. Langfristige Veränderungen räumlich-zeitlicher Besiedlungsmuster sind u.a. auf den Meeresspiegelanstieg und den Klimawandel zurückzuführen. Die Auswirkungen lassen sich im Vergleich historischer und aktueller Artenspektren sowie Besiedlungsmuster erkennen. Als Basis dienen z.B. die Pionierarbeiten deutscher Wattforscher am Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie verfolgen jedoch andere konzeptionelle und methodische Ansätze als heutige Forschungsvorhaben, die Vergleichbarkeit wird so eingeschränkt. Andererseits sind die Pionierarbeiten Grundlage für das heutige Verständnis vom Wattenmeer.

Dr. Jörg Zaun (Berlin)
Making of: Albert Einstein - Ingenieur des Universums

Ein-einhalb Jahr bereiteten Wissenschaftshistoriker vom MPI für Wissenschaftsgeschichte und Ausstellungsmacher des Büros Iglhaut + Partner die zentrale Ausstellung zum Einsteinjahr 2005 vor. Im Vortrag sollen der Prozeß von der ursprünglichen Konzeption des MPI über die Auseinandersetzung mit den Gestaltern bis zur endgültigen Ausstellung nachgezeichnet werden. Diskutiert werden soll, wie sich die  intendierten wissenschaftshistorischen Aussagen dabei gewandelt haben, wie die Gestalter sie interpretierten und welche nichtintendierten Aussagen dabei eventuell entstanden sind.

Prof. Dr. Heimo Reinitzer (Uni Hamburg)
Das Pflanzenbuch des Konrad Roßbach

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Prof. Dr. Bettina Wahrig (TU Braunschweig)
Umstrittene Substanzen - Toxikologie im 19. Jahrhundert

Wollte man eine Geschichte der Toxikologie als Disziplin schreiben, so wäre wohl am besten in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts zu beginnen. Im Zusammenhang mit dem vermehrten Interesse an Gerichtsmedizin und medizinischer Polizei erscheinen die ersten Kompendien, die den Namen "Toxikologie" im Titel tragen und das Wissen rund um Gifte in systematischer Absicht abhandeln. Der experimentelle Zugriff auf Gifte wird zum einen durch die Entwicklung der analystischen Chemie, zum anderen durch Experimente in der Tradition der Naturgeschichte im Anschluss an F. Fontana verändert. Mit dem Erscheinen des Lehrbuchs von Orfila 1814/15 erlangt die Toxikologie einen gewissen disziplinären Glanz, ohne sich jedoch letztlich als Disziplin separat von der Pharmakologie etablieren zu können. Die Inanspruchnahme des neuen Wissens durch Mediziner und die Forensik steht in Wechselwirkung mit Gefahren- und Kriminalitätsdiskuresen in der Gesellschaft. Dieses komplexe Geflecht soll anhand von ausgewählten Beispielen dargestellt werden.


Weihnachtsferien

Andreas Fuls (TU Berlin)
Die astronomische Datierung der klassischen Mayakultur

Seit der Entdeckung der Langen Zählung in den klassischen Inschriften der Mayakultur vor über 100 Jahren ist die Frage nach der Umrechnung der Kalenderangaben in die christlichen Zeitrechnung oft heftig diskutiert worden. Dabei standen sich vor allem zwei Korrelationsvorschläge gegenüber: Die 12.9.0.0.0 Korrelation von Spinden (1924) und die 11.16.0.0.0 Korrelation von Goodman-Martinez-Thompson (Thompson, 1927, 1935). Neben der Datierung an Hand von kolonialen Quellen spielten die Erkenntnisse aus der Astronomie zuerst eine sekundäre Rolle. Erst später wurden allein aufgrund von astronomischen Berechnungen Korrelationsvorschläge erarbeitet (Makemson, 1946; Owen, 1975; Smiley, 1975; Böhm und Böhm, 1991; Wells und Fuls, 2000). Mit dem Aufkommen der Radiokarbondatierung setzte sich die GMT-Korrelation durch (Satterthwaite, 1960), allerdings ist die Kritik an der GMT-Korrelation bis heute nicht erloschen (Kelley, 1983; Chase, 1986; Lincoln, 1986; Lacadena Gaciá-Gallo, 1995).
Bei der Diskussion der Geschichte der Korrelationsfrage wird es neben den Quellen auch um die Methode gehen, mit der die Daten analysiert, und um die Kriterien, mit der die Korrelationsergebnisse bewertet wurden.
Es wird deswegen zunächst um die Voraussetzungen und um eine Methode zur Interpretation astronomischer Quellen gehen. Bei der Beschreibung der Quellen und der Verifizierung der Interpretationsergebnisse tritt die Frage auf, wie man Beobachtungsdaten von Berechnungen unterscheiden kann, um nicht mit ungenau berechneten Kalenderdaten eine Korrelation zu bestimmen.
Im Anschluss daran wird eine neue Korrelationssuchmethode vorgestellt und auf die astronomisch interpretierten Daten angewendet. Das Ergebnis der Korrelationssuchmethode ist die Verschiebung der bisherigen Mayachronologie um 208 Jahre, die mit anderen Datierungsmethoden verglichen wird.

Dr. Martin Rothkegel (Hamburg)
Akademische Kontroversen der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts aus der Sicht von Hamburger Studenten: Zur Neuedition der Korrespondenz des Joachim Jungius

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Dr. Andrea Bréard (Université des sciences et technologies de Lille)
Reform, bürokratische Erweiterung und Produktion von Zahlen:
Statistik in China zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts versuchte die chinesische Regierung durch Reformen die Subjekte des Kaisers in Bürger einer konstitutionellen Monarchie zu verwandeln. Im diesem Rahmen wurde ein zentrales Statistisches Büro gegründet, das zur Aufgabe hatte, den aktuellen Zustand des Reiches numerisch zu beschreiben. Während im 19. Jahrhundert im Westen statistisches Denken bereits als selbständige wissenschaftliche Disziplin anerkannt und institutionalisiert war, fehlten in der chinesischen Tradition noch theoretische Grundlagen, auf denen Analysemethoden hätten aufbauen können.
Gleichzeitig mit der Gründung des Statistischen Büros begann man deshalb, Schriften zur Sozialstatistik zu übersetzen; in den 30er Jahren erfolgte die Einführung mathematischer Statistik. In diesem Vortrag soll untersucht werden, welche Argumente zur beträchtlichen Erweiterung des Verwaltungsapparates auf nationaler und lokaler Ebene durch statistische Ämter dienten und welche Rolle dabei traditionelle und fremde Modelle, Praktiken und Termini bei der Sammlung, Klassifikation, Visualisierung und Interpretation numerischer Daten spielten.

Andre Brall (Berlin)
Der öffentlich bestellte Vermessungsingenieur (ÖbVI). Entstehung, Stellung und Zulassungsverfahren eines Freien Berufsstandes von 1938 bis 1945

Der öffentlich bestellte Vermessungsingenieur (ÖbVI) ist ein Freiberufler, der nach Universitätsstudium und Staatsprüfung befugt ist, hoheitliche Vermessungsaufgaben auszuführen. Der Berufsstandes wurde nach langem Bemühungen der vermessungstechnischen Berufsverbände 1938 geschaffen. Untersuchungsgegenstand der Dissertation ist die Entstehungsgeschichte des ÖbVI und das Zulassungsverfahren 1938. Dazu werden 1000 Personalakten detailliert ausgewertet und ein Profil Berufsgruppe in politischer und sozialer Hinsicht (NSDAP-Mitgliedschaft, Alter, Bildung) erstellt. Zusätzlich wird nach der Rolle des Vermessungswesens im Nationalsozialismus gefragt.

Letzte Änderung: 5. November 2005

Gudrun Wolfschmidt
Institut für Geschichte der Naturwissenschaften, Mathematik und Technik